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Die provenzalische Santos-Krippe
Viele der rund dreihundert Santos-Figuren (aus meiner Sammlung) erzählen im diesjährigen Adventskalender die provenzalische Krippen-Version. Eigenwillig, bunt, eingebettet in eine Folklore, die es so in der Provence kaum mehr gibt und eigentlich nur noch in der Krippentradition lebt.
01. Dezember 2020
Fenster 1
Maria enceinte und Josef
Gleich im ersten der vierundzwanzig Fenster treten Maria und Josef auf. Maria, die «ewige Jungfrau» ist «enceinte», hochschwanger. Josef werden wir durch die weihnächtliche Reise nur noch selten begegnen. Spätestens bei der erfolglosen Herbergssuche. Vorerst verlassen wird die Heilige Familie und begegnen morgen...
Maria und Josef
Sie stehen auch in der Welt der Santons im Mittelpunkt. Ohne Sie gäbe es Weihnachten nicht. Aber halt: was wissen wir überhaupt von den beiden. Von Maria, der Mutter Jesus, wissen wir, aus frühster christlicher Überlieferung (und Überzeugung), dass sie immer Jungfrau war und "ohne irgendeinen Schaden für ihre Jungfräulichkeit, selbst nach Christi Geburt unberührt blieb." (Laterankonzil 649). Was braucht es da noch einen Josef, einen Vater, der nach frühchristlicher Auslegung «von Gott „hinzugefügt“ und zum gesetzlichen Vater von Jesus gemacht wurde.»
So ganz in die heutige Zeit passen solche Geschichten nicht mehr. Sie wurden auch immer und immer wieder anders gedeutet, anders ausgelegt, anders übermittelt. Es ist sehr wenig, was nur in zwei - der vier - Evangelien (bei Lukas und Matthäus) über die Geburt Christi steht. Bei Lukas erscheint der Engel den Hirten auf dem Felde. Er sagt, dass "euch ist heute der Heiland geboren ist, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens." (Lutherbibel; Lukas 2,10-14)
Wahrlich ein Stoff, aus dem sich die schönsten Geschichten bauen lassen. Die Geschichte der Santons (der kleinen Heiligen) ist nur eine von vielen Geschichten, die überall wo das Christentum Fuss gefasst hat, in den Volksglauben und vor allem in die Tradition eingegangen sind.
Fenster 2
Hirten
"Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
Und siehe, des HERRN Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des HERRN leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr." (Lutherbibel Lukas 2.8-16)
"Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlge-fallen. Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der HERR kundgetan hat."
Die Hirten waren die ersten, sagt Lukas, welche die Verheissung Jesu gehört haben und aufgebrochen sind, den Herrn zu suchen. Das könnte überall gewesen sein, in Palästina genauso gut wie in der Provence. Hirten waren auf der Suche nach Weideplätzen mit ihren Herden ständig unterwegs. "Es ist eine harte Existenz mit eigenen Regeln und Gesetzen."
Auch wenn dies heute nicht mehr so ist, hat der Mythos "Berger" (Hirte) überlebt und ist heute ein fester Bestandteil der überlieferten Folklore.
Berühmt ist die provenzalische Weihnachtsfeier in Les Baux-de-Provence, wo sich Hirten, Arlésiennes, Mireilles (junge Frauen) und Baussencs (Bewohner
von Les Baux) in traditionellen Kostümen in einer uralten Zeremonie (Pastrage) treffen und wo der „Bayle“, (oberster Hirte) dem Jesuskind das letztgeborene Lamm seiner Schafherde schenkt. Ein
Abbild, ein Hauch dieser Tradition hat sich seit der Französischen Revolution (Ursprung der Santos-Tradition) über ganz Südfrankreich verbreitet. Heute sind es vor allem Kooperative,
die
noch fast so leben und arbeiten wie die Hirten in der Santons-Tradition. "Sie versorgen sich selber, bauen eigenes Gemüse an, ihr eigenes Getreide, backen Brot. Kräuter werden verarbeitet, Wollstoffe werden gewebt und bedruckt und auf dem Markt verkauft. Die Schafe gibt es in in weiss und braun. Sie sind sehr zierlich und zahm. Die Böcke tragen beeindruckende Hörner. Gegen Wölfe schützten grosse weisse Pyrenäenber-hunde."
"Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen."
03. Dezember 2020
Fenster 3
Der Markt
Man nennt sie zwar "kleine Heilige" (Santons), doch sie haben in der Santonskrippe nichts mit der Geburt Christi zu tun. Sie bevölkern die Provence wo auch die Krippe steht. Meist sind es Menschen in festlicher Tracht, beschäftigt in ihren Berufn, in ihrem Alltag, beim Spielen, beim Feiern...
Am dritten Tag sind wir auf dem Markt. Fröhlich, bunt, Eldorado für Feinschmecker, eine Fundgrube für die mediterrane Küche.
Viele Dörfer haben ihre eigenen Märkte mit besonderen Spezialitäten und Handwerks-arbeiten. Auch, wenn es heute nicht mehr so gepflegt und bunt einhergeht, wie in früheren Zeiten, wo auf Märkten fast nur die Tracht getragen wird, so gibt die Szene doch die Stimmung wieder, die auf vielen traditionellen Märkten noch heute zu finden ist.
Bauern, Winzer, Schäfer, Fischer, Gewürze- und Kräuterhändler, Töpfer, Weber, Sticke... Sie stellen einmal in der Woche ihre Stände auf. Eine Vielfalt von Gerüchen, ein Durcheinander von Anpreisungen, ein buntes Bild provenzalischer Pracht. Die traditionelle provenzalische Küche wäre ohne Frischprodukte vom Markt undenkbar und ohne die Kräuter aus der Heimat des Lavendels. Da gibt es aber auch Seifen, Parfüms, Kosmetika, Duftkerzen, Kräuterkissen… und erst recht den Knoblauch, die „göttliche Knolle“. Allein in den Dörfern und Gemeinden um Lautrec (Tarn) sind es 300 Produzenten, die jährlich 4000 Tonnen Knoblauch anbieten. Verkauft wird auf den Märkten wirklich alles, was die Region anzubieten hat: Obst und Gemüse, Ziegenkäse, Honig, Oliven, Marmelade…
Aber auch alles, was der Mensch so im Alltag braucht, vom Besteck über die Kleidung bis zu den bunt dekorierten Baumwollstoffe, Schalen, Schüsseln…. Myrtilles, Poivre Vert, Herbes Provence,
Cumin, Melange Poisson, Ciboulette…
Nicht zu übersehen die Blumen.Typisch für die Gegend sind Lilien, Rosen und Sonnenblumen. Ja, den provenzalischen Markt kann man nicht beschreiben, man muss ihn erleben…
Und zum Schluss einen Tipp: Der Markt in Apt ist der „lebendigste“ und älteste Südfrankreichs. Er ist wirklich gross und schlängelt sich durch die vielen Gassen der Innenstadt. Kräuter, Nougat, kandierte Früchte, Tapenaden, Würste, Käse, Obst & Gemüse und nicht zu vergessen die Melonen aus Cavaillon…
04. Dezember 2020
Fenster 4
Hoftiere
Ferien auf dem Bauernhof liegt im Trend. Auch in Frankreich gibt es - vor allem im Süden (Provence, Camargue, Languedoc-Roussillon, Ardèche etc.) - immer mehr Bauernhöfe, welche Gäste empfangen, sie bewirten und am Landleben teilnehmen lassen. Es gibt sie also noch, die Bauern mit ihren Kleintieren. Das Bewirtschaften der - vor allem im Sommer - recht kargen Böden ist mit Grossvieh kaum nicht möglich. Deshalb tummeln sich auf den Höfen - nebst Pferden - vor allem Esel, Schafe, Hühner, Katzen, Gänse, Hunde...
Auch hier hat die Landflucht in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und der Tourismus ist zu einem der wichtigsten Erwerbszweige geworden. Was abseits der Touristenrouten und -orte geblieben ist, das ist die tägliche Begegnung mit Nutz-Tieren, die in Städten längst verschwunden sind. Die Santons-Tradition - sie ist ja eine zweihundertjährige Krippen-Tradition - lässt das Verschwundene wieder aufleben, begleitet von kleinen Geschichten, die hier erzählt werden.
Zum Beispiel die Anekdote vom Truthahn der einen Restaurator der Kunst-
"Schummelei" überführt hat. Der Maler Lothar Malskat restaurierte 1937 im Dom von Schlesien ein angeblich frühgotisches Gemälde und übersah, dass der Truthahn auf dem Bild nicht von einem Maler der Gotik (12. Jahrhundert) stammen konnte, denn damals war das Tier in Europa gänzlich unbekannt. Es wurde erst dreihundert Jahre später von den Spaniern
nach Europa gebracht. So konnte der Maler als begnadeter Kunstfälscher überführt werden. Der Truthahn unter den Santons (Bild rechts) darf ganz nahe zur Krippe.
Die südfranzösischen Krippen sind "Erzählkrippen". Sie erzählen vom Leben in der Provence, wie es einst war und immer häufiger (in neuen Figuren) wie es heute ist. Jedes Jahr entstehen neue Figuren, meist verklären sie
mediterranen Alltag, Traditionen und Festlichkeiten. Die Heilsgeschichte, wie sie in den Evanglien festgehalten sind, die Geburt im Stall und der Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland, steht zwar im Zentrum, doch all das Drum-und-dran, das Leben in der Provence ist weit grösser, bunter und nicht selten geheimnisvoller. Darin steckt viel Anregung, um Geschichten zu erfinden, zu gestalten und zu erzählen.
Warum das so ist, wird in diesem Kalender später erzählt.
05. Dezember 2020
Fenster 5
Fanny und die Spieler
Das wohl berühmteste Kartenspiel der Provence ist eine Filmszene, gedreht in der „Bar de la Marine“ in Marseille, „Fanny“ ist die „Heldin“ des zweiten Buchs der Trilogie „Marius“ von Marcel Pagnol.
Viele seiner Figuren – echte Provençalen – tauchen als Santons auf. Fanny, die junge Muschelverkäuferin, die in der Bar serviert und von Marius mit einem
Kind zurückgelassen wird, weil in ihm die Sehnsucht nach dem weiten Meer und nach fernen Inseln stärker war..
Spielkarten wurden in Frankreich zum ersten Mal im 14. Jahrhundert schriftlich erwähnt, und zwar in der Provence, als einem Händler verboten wurde, „Nahipi“ zu spielen. Dabei handelte es sich um das venezianische Spiel „der sieben Familien“, das als Vorläufer des Tarots gilt. Die in der Provence noch heute am häufigsten gespielte Karten haben das alte Marseiller Tarot(18. Jahrhundert) zum Vorbild.
06. Dezember 2020
Fenster 6
Im Wald
Eigentlich kommt heute Saint Nicolas ("Samichlaus") aus dem Wald zu den Kindern, um sie zu belohnen oder zu bestrafen. Nicht so in der Provence. Hier wird der Beginn der Weihnachtszeit am 4. Dezember mit dem Brauch "„Le Blé de Sainte-Barbe“ begangen. In einem Teller werden Weizenkörner auf mit Wasser getränkter Watte gesät. Diese keimen und sind am 25. Dezember bereits Setzlinge. Sie gelten als Zeichen eines glücklichen neuen Jahres mit guten Ernten. In der Provence gilt das Sprichwort: "Quand lou Blad vèn bèn, tout vèn bèn" (Keimt der Weizen gut, ist alles gut)
Flechten. Heute sind es die Beeren, Pilze, Kräuter, Trüffel - sie sind noch immer wichtige Bestandteile der südfranzösischen Küche.
Eine Besonderheit sind die „Forêts de La Garrigue“, niedrige mediterrane Waldbereiche in der Nähe der Küsten. Sie bedecken ganze Landstriche.
Es ist der Ort wo sich die Sangliers (Wildschweine) zurückziehen, nachdem sie in Rebbergen und Gemüseplan-tagen gewütet haben. Man liebt sie nicht, weil sie überall Schaden anrichten, in den Trüffeln und auf den Feldern. Noch mehr gefürchtet sind aber im Sommer die ausgedehnten Waldbrände, die oft kaum unter Kontrolle zu bringen sind. Aufgrund des Baumbestandes, der Flora und Faune und oft ganz spezieller Lagen gibt es ganz unterschiedliche Wälder: Laub-, Nadel- und Mischwälder, Zedernwald, Eichen- oder Buchenwald, Fichten-, Tannen-und Pinienwälder.
Früher wurden die Wälder - vor allem als Folge der grossen Armut - stark genutzt, Holz zum Heizen, aber auch für die Handwerker und zum Schnitzen und
All dies findet sich in der klassischen Santons-krippe, die jetzt langsam - Tag für Tag - errichtet wird. Frisch esammeltes Moos, das die „Garrigue“
symbolisiert, Thymian-
Sankt Nikolaus hat so gut wie keine Bedeutung in Südfrankreich, Seine französische "Hochburg" ist das Elsass und Lothringen. Hingegen ist der Wald wichtig für diese heisse Zone. Als Wander- und Erholungsgebiet, aber auch als Jagdgebiet.
zweige als Olivenbäume, Alufolie um Flüsse darzustellen – jede Familien hat zur Weihnachtszeit ihre eigenen Methoden, um ihre Krippe zu bauen. Es sind immer provenzalische Landschaften im Miniaturformat, in denen die Krippe mit den Heiligenfiguren, den Santons inszeniert wird.
07. Dezember 2020
Fenster 7
Salinen
„Fleur de Sel“ aus der Camargue.
Die grössten Salzgärten sind die Saline de Giraud (an der Mündungsstelle der Rhone) und die Salins du Midi bei Aigues-Mortes.
Schon die Römer legten ausgedehnte weiss und rötlich schimmernde Salzgärten an. Auch heute noch ist die Salzernte Handarbeit, fast wie vor 1500 Jahren. Meerwasser wird durch ein Netz von Kanälen und Becken in die Salzgärten geleitet. Wind und die Sonne lassen das Wasser verdunsten und zurückbleiben die Salzkristalle, das "Fleur de Sel".
Das sind die "Paludiers" (Salzbauern) der Salzgewinnung der Camargue. Bei Aigues-Mortees spiegeln sich die strahlend weissen Salzberge in der flachen Lagune. Vor der alten Festungsstadt wurden 5.000 Hektar zur Salzgewinnung eingedeicht – von der mittelalterlichen Stadtmauer, die die gesamte Altstadt umschliesst. Produziert jedoch wird nicht industriell, sondern noch immer genauso handwerklich wie vor 2.000 Jahren: Beteiligt an der Salzherstellung sind nur das Meer, die Sonne und der Mensch. (Quelle: Reisemagazin Schwarzaufweiss)
Im Salzgarten wird täglich der Salzgehalt des Wassers geprüft, im Spätherbst ist Erntezeit.
Salinen in der Camargue (Bild: Zoutman)
Das gastronomische Meersaöu
„Fleur de Sel“ („Blume des Salzes“) wird auch als „Königin der Salze“ bezeichnet. Seine Be-schaffenheit unterscheidet sich vom üblichen Salz. Reibt man „Fleur de Sel“ zwischen den Fingern, zerfällt es. Dieses Meersalz schmilzt schon auf der Zunge.(Hier: Text und Bilder zur Salz-gewinnung am Meer)
Getreide war einst das Hauptnahrungsmittel, die Kartoffel kam erst viele Hundert Jahre später. Die Leute ernährten sich hauptsächlich von Brot und Getreidebrei, Das Korn dafür mahlte der Müller. Die Bauern waren auf ihn angewiesen.
Fleur de Sel wird oft von Spitzenköchen bevorzugt, weil es einen etwas anderen Geschmack und eine „weichere“ Kristallstruktur hat, die an einen Hauch von Eis erinnert. Ob es wirklich würziger ist und besser schmeckt als „gewöhnliches“ Salz ist umstritten.
08. Dezember 2020
Fenster 8
Das Brot
„Ount i'a de pan e de vin, lou rei pou venil“ (Provenzalisch) Zu Deutsch: Wenn es Brot und Wein gibt, kann der König
kommen. Brot ist die grosse Leidenschaft der Franzosen. Das Baguette mag der Star auf Frankreichs Tischen sein, aber es gibt in jeder Region zahlreiche spezielle Brot-Rezepte. In
der Provence ist das bekannteste die "Fougasse", ein seltsam geformtes Brot aus Hefeteig mit Kräutern.
Wind- und Wassermühlen gab es sehr viele in der Provence, doch heute ist kaum mehr eine in Betrieb. Die meisten sind verfallen oder zu Wohn- und Touristen-Attraktionen umfunktioniert. "Lettres de mon Moulin" ("Briefe aus meiner Mühle") von Alphonse Daudet (1840-97), eine Sammlung von Erzählungen hat die provenzalischen Mühlen berühmt gemacht, auch wenn seine "Briefe" aus einer frei erfundenen Mühle kamen. Die Daudet-Mühle steht in Fontvieille (Alpes-de-Haute-Provence). Dass der Schriftsteller hier gelebt hat, ist eine Legende. Zur Erinnerung beherbergt sie ein kleines Daudet Museum.
Viele der Santons-Figuren könnten Gestalten aus Daudets Erzählungen sein. Besonders die Müller, die Bäcker, die Bauern und die Händler auf dem Markt.
09. Dezember 2020
Fenster 9
Crin-Blanc
(Camargue Pferde)
Im Süden Frankreichs findet man eine Region, die in Reiterkreisen vor allem wegen ihrer wilden weissen Pferde bekannt ist: die Camargue, südlich von Arles bis ans Mittelmeer. In den weiten Sumpfgebieten dieser Gegend entwickelte sich eine kleine, robuste, ausdauernde und mutige Pferderasse, ausschliesslich Schimmel. Ein unvergesslicher Anblick sind die Pferde, wenn sie allein oder in kleinen Herden die wasserreiche Landschaft durchstreifen. (Quelle: Reiten-weltweit.info)
Die Gardians, die Viehhirten, nutzten die Camarguepferde lange Zeit beim Hüten ihrer Rinder und der halbwilden Stiere, einem weiteren Symbol der Camargue.
Für die Arbeit der Hirten war ein waches und schnell reagierendes Pferd notwendig, das furchtlos gegenüber den teilweise aggressiven Rindern auftritt.
Der „Weisse Hengst“ gibt es viele in der Camargue. Doch ein Pferd ist weit über Frankreich hinaus berühmt geworden: Crin-Blanc. Die Geschichte eines stolzen weissen Hengstes, der nicht gezähmt werden will. Ein Film von Albert Lamorisse , der 1953 bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem Kurzfilmpreis ausgezeichnet wurde.
Crin-Blanc liebt die Freiheit. Doch einem kleinen Jungen gelingt es, sein Vertrauen zu gewinnen und sich mit dem Pferd anzufreunden. Doch der Viehzüchter duldet dies nicht. Gehetzt von den Knechten des Züchters flieht der Junge mit Crin-Blanc ins Meer. Crin- Blanc rettet den Jungen – die beiden verschwinden am Schluss des Films am
Horizont, auf der Suche nach einer besseren Welt, in der es nur Kinder und Pferde gibt.
Eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte.
Die wildlebenden Pferde werden sind heute eine Touristen-Attraktion. Sie werden auch immer häufiger zu Reitpferden abgerichtet für die„Ballades au cheval“, die Reitausflüge für die Urlauber. Stundenlang werden die meist wenig erfahrenen Freizeit-Reiter durch die Wege und Pfade der Camargue getragen.
"Genau das zeichnet das Camargue-Pferd aus: Ruhig und sicher tritt es auf, erledigt seine Aufgaben ohne Anzeichen von Nervosität oder Erschöpfung. Schon Julius Cäsar war von der
Leistungsfähigkeit der Camargue-Pferde, die zu den ältesten Pferderassen überhaupt gehören, sehr angetan."
10. Dezember 2020
Fenster 10
Ravi im Dorf
Das "Dorf" ist in diesem Fall mit ein paar wenigen Figuren angedeutet, die in der Tradition und in den Ritualen der südfranzösischer Dörfer tief verwurzelt sind. Da haben wir (ganz links) den Ravi, den "reinen Tor", der sich kindlich freut, wenn es etwas zu erleben gibt. Und das gibt es hier. Da steht Jean de l'Ours mit seinem Tanzbären, den er heute Abend tanzen lassen wird. In der Mitte mit dem Sonnen- oder Regenschirm ein Paar in der einfachen Dorftracht, die wohl vom Markt kommt. Er hat einen Kürbis in der Hand, sie ein "Fougasse", eine Spezialität der Provence. Rechts davon der Briefträger, der so gern mit den Leuten plaudert, wenn er den Leuten Neuigkeiten bringt. Und schliesslich rechts aussen, im typischen Arbeitskleid der Arbeiter auf dem Feld, mit einer grossen «cucurbitacée».unter dem Arm.
Die interessanteste, "provenzalschste" Figur ist der Ravi. Er hebt seine Arme zum Himmel als Zeichen der Freude und des Glücks. Es ist eine Körpersprache, die vor allem im Mittelmeerraum wohlbekannt ist. Man muss nicht sprechen, ums seine Gefühle zu zeigen.
Der Ravi hat einen liebenswerten Charak-ter. Er wird oft auch als "einfältig" bezeichnet, als *Dorfidioten". Doch er ist eher ein liebenswürdiges "Dorforiginal". Er hat nichts anzubieten als sich selber. Im Dorf kümmert er sich um kleine Arbeiten (im Hof oder auf dem Feld). Sein Charakter ist von Bescheidenheit geprägt, von liebenswürdiger Naivität. Er ist einfach gekleidet, mit einer Mütze oder einen Hut auf dem Kopf.
Den Ravi gibt es so nur noch in der provenzalischen Krippe. Er ist ganz nahe beim Geschehen, auch bei der Geburt Christi im Stall und zwar fröhlicher Zuneigung, ohne Geschenke zu bringen. Er selber ist das Geschenk.
Die Typografie der Santons-Figuren macht . der Ravi ist nur eines der vielen Beispiele - macht die Santons-Krippe besonders interessant und ist auch eine "Spielwiese" für Sammler. Obwohl es sehr viele "Santonniers" (Gestalter von Figuren) im Süden Frankreichs gibt, sind es immer die gleichen Figuren, die seit zweihundert Jahren an Weihnachten auftreten und die Krippenszenen bevölkern. Und so etwas wie eine
Verbindung vom Früher zum Heute schaffen. Jedes Jahr werden auch wieder neue Figuren erfunden und in die Krippe gestellt. Zum Beispiel Berufe, die es einst noch nicht (in der heutigen Form) gab. Zum Beispiel der Feuerwehrmann, der Astronaut oder - eine Besonder-heit: eine berühmte Person wie ein Dichter, Schauspieler, Künstler, Politiker.,,
So ist es auch nicht weiter erstaunlich - wohl dem Zeitgeist geschuldet, dass es inzwischen auch den weiblichen Ravi gibt. Er - respektive sie - heisst "Ravido" und möchte - wie ihr Mann "Rav" zum Ausdruck bringen: "Aber mein Herz ist voller Unschuld und Freude, die ich so lange nicht gekannt hatte!"
Wie populär die Santons-Tradition in der Provence ist, zeigt auch ein Mode-Label der Luxusklasse: "Jacquemus", von einem Provencale gegründet. Vieles an seinen Collectionen erinnert stark an den Auftritt, die Gesten und die Kleider der "Kleinen Heiligen" in der Santons-Krippe.
Aus der Werbung des Modehauses:
"«Die Santons de Provence», das sind die für die Provence typischen Krippen-Figuren, die das Projekt inspiriert hatten. Für Simon Porte, den Creative Director des Modehauses, sind es nostalgische Kindheitserinnerung und die Kollektion eine Hommage an den Ort, wo er seine Kindheit verbrachte: Die Kleider sind durch ländliche Elemente gekennzeichnet und Jacquemus zeigt Merkmale vom südlichen Frankreich wie Ähren oder Terrakottatöpfe als Accessoires."
11. Dezember 2020
Fenster 11
Fische und Fischer
Die Stände der Fischer, die noch immer auf fast jedem Markt vertreten sind, füllten einst ganze Märkte. Der Fischmarkt am alten Hafen in Marseille ist noch immer touristische Attraktion. Jeden morgen bieten am "Quai des Belges" ihre Fänge an. Für Fischliebhaber ein Paradies und eine Gelegenheit die lokalen Fischarten wie Drachenkopf, Seeteufel, Roter Knurrhahn, Rotbrasse kennenzulernen. Zumindest auf Markt oder in einem Fischrestaurant. Die Fischsuppe, vor allem auch die legendäre Bouillabaisse sind längst zu kulinarischen Leckerbissen aufgestiegen. Zur Zeit der traditionellen Santons waren es noch Arme-Leute-Mahlzeiten. Auch weiter weg vom Meer - im Innern der Provence - sind an Süsswassern, Flüssen und Bächen, Angler unterwegs. Heute fast mehr als früher.
Sogar „Pescalune“, der Mondfischer, hat es in die Welt der Santons geschafft. Die Legende: "Pesaclune stand inmitten eines wilden und unwirtlichen Sumpfes und erfand da eine originelle Methode um Aale zu fangen. Der Aalfischer in mondlosen Nächten so unglaublich gute Fänge machen."
"Das riesige Aquarium Mittelmeer liefert den provenzalischen Restaurants Doraden, Seeteufel, Wittlinge, Barsche, Wasserhühner, Langusten, Sardinen und Makrelen, um nur die wichtigsten zu
nennen. Will man erleben, wie die Fischer früh morgens von ihrer Arbeit auf dem Meer zurückkehren, begibt man sich am besten an den Alten Hafen von Marseille oder an die Häfen von La Ciotat,
Martigues, Carry-le-Rouet, Cassis oder Saintes-Maries-de-la-Mer... " Oder eben auf einen der vielen Märkte Markt.
Spezialitäten aus der Provence: Fisch und Meeresfrüchte – die Stars der provenzalischen Küche
12. Dezember 2020
Fenster 12
Farandole (Volkstanz)
Die Farandole ist ein historischer provenzalischer Volkstanz bei dem ein offener Reigen, von einem Tänzer angeführt, verschiedene Figuren tanzt. Die musikalische Begleitung besorgt ein Spieler mit Flöte und Tamburin. Es ist ein „Schlängelreigen“, bei dem man meist im offenen Reigen durch Gassen, über Plätze, durch Wiesen und den Wald tanzt. So zieht man - vor allem an Volksfesten – auch durch die Strassen der Dörfer, als eine Kette von Paaren, die sich an den Händen halten.
Volkstänze wie die Farandole sind stark von der Natur beeinflusst, vom Mistral - dem Meereswind - , von der Landschaft, den Arbeiten auf dem Feld. Die Tänze dienen nicht nur der Geselligkeit, sie
sind auch Ausdruck und Identitätsfindung von sozialen Gruppen. Deshalb wird fast immer in der entsprechenden Tracht getanzt. Es gibt eine ganze Reihe von Volkstänzen, die seit dem Mittelalter bis
heute lebendige Tradition geblieben sind.
Die Farandole ist verwandt mit der viel nobleren "Sarabande", die vor allem an Höfen zu Barockmusik getanzt wurde.
Es gibt eine ganze Reihe von Volkstänzen, die seit dem Mittelalter bis heute lebendige Tradition geblieben sind. Zum Beispiel „La Ronde“, einer der ältesten überlieferten Tänze. Sie entstanden aus der "Carole", dem gesungene Lied. Es ist ein einfacher Tanz der bäuerlichen Bevöl-kerung. Bei einem andern traditionellen Tanz, dem „Marketenderinnentanz“ (Kreistanz) stellt man sich wie bei der Farandole im Kreise auf und versucht mit Hüpf- und Drehbewegungen seine Freude ausdrücken. Der „Prozessionstanz“ hingegen passt eher
zur vornehmen Gesellschaft, denn da wird die Würde und der Rang der Tanzpaare hervorgehoben.
Die «Farandole» wird begleitet von Flöte und Tamburin, wobei er offene Reigen, von einem Tänzer angeführt wird, der verschiedene Figuren vorgibt. Natürlich wird auch
bei den Santons viel getanzt, und zwar den "Krippentanz", "la dance de la crèche noël". (Quelle: Wikipedia)
13. Dezember 2020
Fenster 13
Musikanten
Die Provenzalen lieben Feste und Feiern. Es sind Gelegenheiten, um die Tradition zu pflegen, Familienbande zu festigen und das Leben zu geniessen. Nebst den Essen und Trinken gehört auch die Musik dazu. Die Trommel darf nie fehlen, aber auch nicht die Flöte, oft auch die Zither und sogar das Hackbrett provenzalischer Art. Die traditionelle Silvesternacht, bei uns immer lauter und knalliger, ist meist still, oft familiär, immer aber durchwoben vom Spiel der Musikanten, die ihren Galoubets (Einhandflöten), Saiteninstrumenten und Tamburinen für uns oft fremd klingende Töne entlocken. Die Musik der Provence ist seit Jahrhunderten beeinflusst von spanischen Klängen und auch von der arabischen Welt.
Musik in Südfrankreich und Musiker aus Südfrankreich sind Teil französischer Kunst und Kultur. Der Süden Frankreichs hat eine grosse musikalische Geschichte, Musik in
Südfrankreich und seine Musiker sind fester Bestandteil des Lebens. Der Gebrauch von Musik als Ausdruck von Leidenschaft und Heimatliebe, Kampfeswillen und Zuneigung ist provencalischen
traditionellen Musik verankert. (Quelle: suedfrankreich-netz.de.)
14. Dezember 2020
Fenster 14
Bildstock
(Sanctuaire au bord du chemin)
Der Bildstock (auch als Martrl oder Wegstock bezeichnet) ist eine kleine Andachtsstätte am Wegrand, oft eine Säule aus Holz oder Stein mit einem Bild oder einer Figur von Christus oder einem Heiligen. Am häufigsten wird in der Provence Maria verehrt, denn der Kult um die Muttergottes ist im Süden Frankreichs besonders entwickelt. Die Verehrung begann hier schon im ersten Jahrhundert. Aus der Legende um die Ankunft eines frühchristlichen Bootes mit ausgesetzten Heiligen (unter ihnen Maria) ist der Wallfahrtsort Saintes-Maries-de-la-Mer entstanden. Schon vor 500 Jahren soll in Cotignac (Provence-Alpes-Côte d’Azur) die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm einem Holzfäller erschienen sein. Am Erscheinungsort errichtete man schon kurz darnach eine Kapelle (Notre Dame de Grâces).
Bildstöcke stehen oft an Wegkreuzungen, sind Orte an denen etwas Wunderbares oder etwas Schreckliches passiert ist, Sie sind auch christliche Zeugnisse entlang alter Pilgerwege (Jakobsweg).
Die Errichtung und Pflege von Bildstöcken (Marterln) ist auch in der Provence eine weitverbreitete Form der Volksfrömmig-keit. Sie möchten Motivation sein zur Besinnlichkeit und zum Gebet unterwegs. Sie sind auch ein Zeichen der Dankbarkeit für überstandene Gefahren oder Seuchen, sowie auch zur Erinnerung an Unglücks-fälle. Oft werden bei ihnen Blumen niedergelegt oder Kerzen angezündet.
Die Lage der Bildstöcke weist oft auf Legenden, Sagen und historische Ereignisse hin. Am häufigsten sind es "Wunder" die hier stattfanden oder es werden Schutzheilige angerufen. Besonders dann, wenn die Wegstrecke über ein Hindernis führt oder gefährlich ist. Viele alte Bildstöcke wurden in den Wirren der Französischen Revolution vernichtet. Erhalten sind vor allem kleine Bildstöcke etwas abseits von viel begangenen Werge und Strassen.
15. Dezember 2020
Fenster 15
Altes Handwerk
Santons verkörpern die Provence von einst im Kleinformat. Das Handwerk war noch gut vertreten, überall - in jedem Dorf, auch auf dem Land. Wir finden Berufe, die heute weitgehend ausgestorben sind. Die Marktfahrer, "Marchand sforains", gibt es noch, vor allem auf grossen Märkten. Doch sie kommen nicht mehr zu Fuss mit ihren mit Töpfen, und Schirmen und Haushaltwaren. Der "Vitrier", der Glaser hingegen ist verschwunden. Auch der "Vannier", der Korbflechter ist kaum mehr anzutreffen. Der Maeéchal-ferrant, der Hufschmied, hingegen hat noch zu tun, besonders dort wo das Reiten die Touristen anlockt. Während "La Fleuse", die Spinnerin, bestenfalls noch als Kunsthandwerkerin ans Spinnrad sitzt.
Heute ist provenzalisches Handwerk fast ausschliesslich Kunsthandwerk, das in einer ganzen Reihe dafür bekannte Dörfer viele Touristen anlocken kann. Als Hüter eines provenzalischen Wissens widmen sich Handwerker und Künstler immer wieder neuen Kreationen unter Benutzung ganz verschieden Materialien: Holz, Stoffe, Ton …
Vieles was früher die Handwerker machten, ist inzwischen das Wissen und Können der "Artisans", des Kunst-handwerks. Die Produkte werden in Boutiquen verkauft, zum Teil zu recht hohen Preisen. So hat das traditionelle Handwer - in einer neuen Form - doch noch überlebt. Altes Handwerk, wie es eben früher in Handarbeit gemacht wurde, ist auf den Antiquitätenmärkten zu finden, sicher aber im prachtvollen Antiquitäten-dorf l’Isle-sur-la-Sorgue.